«Das Ende der Diskretion für Privatbanken?»

Dominik Allemann

Bernet PR

Das Ende der Diskretion für Privatbanken?

Das Dilemma kennen nicht nur Banken. Viele Unternehmen anderer Branchen oder Persönlichkeiten fragen sich: Wie nutzen wir die Kraft der schnellen, direkten und reichweitenstarken Social-Media-Kanäle, ohne uns kommunikativen Risiken und Gefahren auszusetzen? Wie bieten wir gute Social-Media-Erlebnisse für die vielfältigen Stakeholder im distinguierten und diskreten Bankenumfeld?

Fakt ist: Die Kommunikation ist ein wichtiger Treiber der viel beschworenen digitalen Transformation. Auch Banken erkennen das und entwickeln ihre Web-Aktivitäten weiter.

Es sind die ureigenen Charakteristika der sozialen Netzwerke, die ihrem Einsatz in der Finanzwelt zu widersprechen scheinen. Sie sind offen und durchlässig, rasend schnell, weit verteilt und dadurch kaum kontrollierbar. Aber sie sind auch erfolgreich und mächtig: Facebook, YouTube oder Twitter gewinnen im Kampf um Aufmerksamkeit und Nutzerminuten laufend an Terrain gegenüber konventionellen Medien. Alleine Facebook zählte per Ende 2016 weltweit rund 1,8 Milliarden regelmässige Nutzer.

Nicht nur die grosse Verbreitung und Aufmerksamkeit für die Kanäle bringt Relevanz für die Kommunikation, gerade auch von Banken. Eine geschickte Kombination aus Text, Bild und Video – letzteres immer mehr auch live und dreidimensional – macht den Auftritt emotionaler und authentischer. Und letztlich ist es auch der Einbezug der Nutzer, der digitale Dialog, den eine Marke spürbar macht und sie positioniert: als Anbieter von Finanzleistungen, als wirtschaftlicher Akteur aus verschiedenen Perspektiven und vor allem als Arbeitgebermarke. Nicht zuletzt ist es der dialogische Einbezug aller Dialogpartner, die den Banken als Absender Anerkennung und Glaubwürdigkeit geben.

 

Neue Rollenverteilung braucht klare Haltung

Die Kraft und Macht der nicht mehr ganz so neuen Plattformen geht einher mit Risiken und Gefahren. Es sind just die positiven Attribute, welche die Unternehmen – nicht nur in der Finanzbranche – vielseitig fordern: Althergebrachte Strukturen, Rollenteilungen und Prozesse werden hinterfragt oder ganz einfach obsolet. Die vielzitierte Verschiebung der Kommunikationsmacht vom Absender zum Empfänger oder vom Anbieter zum Nachfrager provoziert eine völlig neue Ausgangslage.
Die Botschaften lassen sich immer weniger steuern, die Einweg-Kommunikation hat sich längst über den Dialog zu einer Polyphonie aus Botschaften, Stimmen und Wegen entwickelt. Darin gehen auch die vielseitigen Interessen innerhalb eines Unternehmens auf: Vom Management über die Personalabteilung bis zur Produktentwicklung, der Kundenberatung oder die Analysten – Interesse, Motivation und Stakeholders unterscheiden sich teils diametral. Umso wichtiger ist eine klare Haltung im Kern. Stimmt das strategische Fundament und mit der gemeinsamen Werthaltung auch die Tonalität und der Mix auf verschiedenen Kanälen, entsteht ein konsistentes Bild mit Ausdruck.

 

Die Gesprächigkeit hat Grenzen

Die quirlige und gesprächige Welt der Social Media steht in einem scheinbaren Kontrast zur Diskretion und Verschwiegenheit einer Privatbank. Und tatsächlich ist die Finanzbranche nicht einfach frei in ihrem Ausdruck, wie beispielsweise eine Marke der Konsumgüterindustrie. Es bleibt nicht nur eine Frage der Diskretion, sondern vielmehr der Regulierungen. Die Mehrweg-Kommunikation über geographische Grenzen ist rechtlich eingeschränkt und auch die Einweg-Kommunikation unterliegt Richtlinien.

«Die Zielgruppen anzuhören, zu verstehen und die Bedürfnisse zu priorisieren ist eine der vordringlichsten Aufgaben.»

Eine makro-ökonomische Sicht, allgemeine Auskünfte zum Geschäft oder Marktausblicke sind dagegen kaum problematisch. Damit agieren die Social-Media-Manager wie auch alle aktiven Mitarbeitenden von Banken im Social Web auf einem unsicherem Terrain – was angesichts der Geschwindigkeit und der hohen Erwartungen der Nutzer zusätzliche Herausforderungen birgt. Doch nicht nur eine allfällige Zurückhaltung und Regulierung seitens der Banken hemmt eine schnelle Entwicklung. Die Zielgruppen sind heterogen und haben ebenso vielfältige wie hohe Erwartungen. Sie anzuhören, zu verstehen und die Bedürfnisse zu priorisieren ist eine der vordringlichsten Aufgaben. All diesen Hemmnissen zum Trotz sind viele Banken bereits erste Schritte gegangen oder haben gar vorbildliche Präsenzen aufgebaut. Oft sind dabei Themen rund um Corporate Social Responsibility (CSR), die Rekrutierung oder Expertise besondere Treiber.

 

Wer nicht dabei ist, findet nicht statt

Im Spannungsfeld von Offenheit, Zugänglichkeit und Transparenz auf der einen sowie Regulation, Zurückhaltung und Diskretion auf der anderen Seite gilt es, klare Strategien und Handlungsanleitungen zu etablieren. Denn Absenz vom Web ist kein Thema, und die Generationen Y und Z sind bei der Kanalwahl schnell und wenig zimperlich. Eine deutliche Branchenentwicklung ist jedoch bereits feststellbar. Wohl sind globale Technologiekonzerne oder agile Startups noch etwas frischer und schneller im Auftritt und in ihrem Themen- und Dialogmanagement schon weiter. Aber zahlreiche Vorbilder aus der Bankenwelt zeigen: Die digitale Transformation wird auch im Finanzsektor immer umfassender verstanden. Und in diesem längerfristigen Prozess wird der Kommunikation – neben der Angebotsentwicklung – eine Schlüsselrolle zugewiesen.

 

Neue Formen der Zusammenarbeit

Die organisatorischen und inhaltlichen Anforderungen werden uns weiter beschäftigen. Es gilt, für das Gesamtunternehmen Themenfelder abzuleiten und neue Formen der Zusammenarbeit aller Kommunikationsdisziplinen zu etablieren. Hier wird der Corporate Newsroom heute als mögliche Lösung propagiert. Diese Vereinigung aller Akteure in einen örtlichen und konzeptionellen Raum wird bereits in grossen Medienhäusern und einigen Grossunternehmen gelebt. Sie ist die längst fällige Umsetzung der Integrierten Kommunikation, der konzisen Verbindung von internen und externen Kanälen.
Die Kommunikation zwischen Organisation, Marken und Menschen wird unmittelbarer, direkter, schneller. Und sie ist ein wesentlicher Treiber bei der Bewältigung der Transformation der Finanzbranche hin zu einem neuen Selbstverständnis und digitalen Businesskonzepten.